Mittwoch, 22. Mai 2013

Der Weg fragt Dich jeden Tag …

Der heutige Tag fing an, wie der Gestrige aufgehört hatte, mit Regen und Wind. Das veranlasste uns, erstmal weiter zu schlafen und dem Tag so eine neue Chance zu gönnen, aber der dachte gar nicht daran diese zu nutzen und ließ es munter weiter vom Himmel prasseln. 
Wir dachten also ernsthaft über Alternativen nach, aber sowohl noch eine Nacht in dem Hotel zu bleiben, als auch ein Stück mit dem Bus oder Zug zu fahren, schieden als Option aus, da sich das Wetter dadurch auch nicht bessern würde und wir das Problem so nur um einen Tag verschoben hätten. Die Wettervorhersage sagte nämlich keine Besserung für die nächsten Tage voraus und ein zu frühes Ankommen in St. Jean Pied de Port, dem letzten französischen Ort vor der spanischen Grenze und dem eigentlichen Startpunkt des Camino Frances, wäre auch nicht hilfreich, denn laut Internet ist der Bergpass nach Spanien derzeit noch wegen zuviel Schnee gesperrt.
Es half also nichts, wir mußten raus und laufen. Wenn ich den Organisator dieser Reise zu packen kriege, dann  kann er nur noch auf Gottes Gnade hoffen und die ist ihm nur gewiss, wenn er die Kathedrale von Santiago erreicht. 
Unser kleines Spiel auf Zeit am Morgen hatte den Vorteil, daß wir in einer Regenpause starteten. Außerdem hatten wir die Zeit genutzt und über Google Maps die direkteste Route zum Tagesziel heraus zu suchen. Die kürzeste Route verlief auf einer Straße entlang einer Autobahn, welche aber erst ein paar Kilometer hinter Labouheyre began. Der offizielle Weg machte am Anfang einen großen Bogen nach Osten und stieß dann auf eben diese Straße. Wir dachten, wir sind schlauer und gehen gleich parallel zur Autobahn. Wieso dem offiziellen befestigten Weg folgen, wenn es einen kürzeren querfeldein gibt? 
Erste Zweifel an dieser Entscheidung überkamen uns, als Raphael auf unserer tollen Abkürzung bis zur Hälfte seines Schienbeines im Schlamm versank und nur mit Mühe wieder rauskam. Vielleicht hatten die Planer des Weges ja doch einen guten Grund gehabt, ihn um das Gebiet, was wir durchlaufen wollten zu führen. Glaubt mir, sie hatten einen.
Direkt neben der Leitplanke war ein hoher Maschendrahtzaun aufgestellt, offensichtlich die Bauvorstufe einer Schallschutzwand. Unmittelbar daneben war ein Bach, nur ca. 5-6 Meter tiefer, da mußten wir nun entlang laufen, was anfangs auch ging, da neben dem Zaun noch ungefähr 30 Zentimeter Platz waren, bevor es auf matschigen Untergrund steil bergab ging.
Wie gesagt am Anfang ging es, der Platz schrumpfte jedoch mit jedem gegangenen Meter zunehmend und mit dem ganzen Gewicht auf dem Rücken, wurde es immer spannender. Zum Umdrehen war es inzwischen mangels Raum zu spät. Wie gerne hätte ich jetzt mein Stuntdouble weiterlaufen lassen, aber so eine Pilgerreise ist halt kein Hollywoodfilm. Ich habe schon viele Fehler in meinem Leben gemacht, der wohl Größte war, daß ich nicht schon rechtzeitig in Kindertagen für die wirklich gefährlichen Dinge im Leben einen Stuntman engagiert hab. Bei Ärger mit Lehrern oder Eltern, einfach mal das Double hingeschickt. Was wäre das herrlich, ich könnte nach Herzenslust HSV-Fans gegenüber eine dicke Lippe riskieren, das geschwollene Gesicht darauf hätte der Stuntman. Bei jeder Party saufen, bis der Arzt kommt, der nimmt mein Double mit und ich kann weiter Gas geben, die Zeche dafür am nächsten Tag trägt ja wieder der Stuntman. Dafür bezahl ich ihn ja. Ich pilger nur noch bei tollem Wetter, bei Sturm und Regen läuft das Double. Ewiges Leben, kein Problem, denn sterben tut immer der Stuntman.
Auch Zahnarztbesuche oder Diskussionen mit der Freundin, wären so kein Thema mehr. Ja, ich geb's zu, die Schmerzen beim Zahnarzt kann man auch so durchstehen, die werden einem ja nicht ständig wieder auf's Brot geschmiert. Aber eine feste Partnerschaft oder gar Heirat halte ich ohne Stuntdouble doch für zu gewagt. Lediglich bei den romantischen Dingen möchte ich mich nur auf mich selbst verlassen, denn den mir angeborenen "James Bond Charme" kann mit Sicherheit niemand doubeln und so lädiert, wie der inzwischen ist, kriegt der ja auch mit Sicherheit nur noch Restposten.
Entschuldigung, ich bin kurz abgeschweift. Kommen wir zurück zum heutigen Tag. Wir schafften es tatsächlich, dieses Stück Strecke zu bewältigten, trotz daß der Abhang an einer Stelle sogar für den Hund zu steil war und wir uns Fussel über ein kurzes Stück zuwerfen mußten. Dabei stellte sie unter Beweis, daß sie auch als Flughund durchaus Talent hat. Endlich hatten wir den richtigen Weg wieder erreicht und ließen uns zu einer kurzen Pause nieder, da meinte der Regen, er müsse die seinige beenden und nahm seine Tätigkeit wieder auf. In Folge dessen kramten wir wieder unsere Ponchos raus und liefen brav weiter, bis nach ewigen Kilometern ein Auto hielt und eine nette Frau uns fragte, ob sie uns ein Stück mitnehmen könne.
Das war mehr als großes Glück für uns, denn wir hätten zu Fuß nur einen Ort mit Campingplatz erreicht, was eine äußerst unangenehme Nacht bedeutet hätte. So aber gelangten wir einen Ort weiter, in dem es eine amtliche Herberge gab, welche ganz neu ist und bis jetzt die sauberste und beste Unterkunft, seit Beginn unserer Reise. Ob in diesem Zusammenhang Glück das richtige Wort ist, möchte ich allerdings bezweifeln, es ist eine von diesen Geschichten, die ich auf meinem Weg 2010 mehrmals erlebt habe. Der Weg fragt Dich jeden Tag durch die Aufgaben, die er Dir stellt, ob Du wirklich nach Santiago willst, wenn Du dann unter Beweis stellst, daß Du das ernsthaft vor hast, dann greift er Dir in welcher Form auch immer unter die Arme und trägt Dich ein Stück.








Nur noch dreimal schlafen und dann ist endlich wieder...

2 Kommentare:

  1. Na klar, een hab ick noch...

    Immer an der Wand `lang!

    (Hermann Frey)

    Ich hab so manche tolle Zicke
    wohl schon im Leben mitgemacht;
    am Tage tu ich meistens schlafen,
    doch in der Nacht hab ich gewacht;
    in Kaffeehäusern, Tanzlokalen,
    da hab ich meinen größten Zeck,
    und oftmals ruft man unter Lachen:
    Von dem ist heut das Ende weg.
    Doch eines hab ich mir erhalten:
    ein ausgesprochnes Pflichtgefühl;
    drum sag ich immer gegen Morgen:
    Nu mach'n Punkt, sonst wird's zuviel!
    Und dann schleich ich still und leise,
    immer an der Wand lang,
    heimwärts von der Bummelreise,
    immer an der Wand lang,
    schimpft zu Haus ooch meine Olle,
    immer an der Wand lang,
    ja, ick bin `ne dolle Bolle,
    immer an der Wand,
    an der Wand entlang.

    Wie schon gesagt, in Tanzlokalen
    bring ich die meisten Stunden hin;
    so'n Walzer linksrum ist mein Leben
    so mit `n kleenen Hupferkin,
    und erst das Balancer beim Kontre,
    das tanz ich wie ein Gummimann,
    ich bin ein zu verliebter Bonze
    und geh wie Blücher druff und dran.
    Doch kommt's auch vor,
    dass ich mich irre,
    ich bin schon häufig abgeprallt.
    Dann sag ich: Wer nicht will, der hat schon.
    als Philosoph lässt mich das kalt.
    Und dann schleich ich still und leise,
    immer an der Wand lang,
    heimwärts von der Bummelreise,
    immer an der Wand lang,
    schimpft zu Haus ooch meine Olle,
    immer an der Wand lang,
    ja, ick bin `ne dolle Bolle,
    immer an der Wand,
    an der Wand entlang.

    So sumpf ich alle Nächte weiter,
    solide sein ist mir ein Graus;
    den Affen den ich Nachts mir kaufe,
    den schlaf ich mir am Tage aus.
    doch kommt dereinst die letzte Stunde
    und ruft mich ab der Sensenmann,
    dann tret vergnügt ich, wie im Leben,
    den Bummelgang zu Petrus an.
    Am Himmelstore will ich pochen
    und bitten. Alter, lass mich ein.
    Wer viel geliebt, so steht geschrieben,
    dem soll auch viel vergeben sein.
    Und dann schleich ich still und leise,
    immer an der Wand lang,
    heimwärts von der Bummelreise,
    immer an der Wand lang,
    schimpft zu Haus ooch meine Olle,
    immer an der Wand lang,
    ja, ick bin `ne dolle Bolle,
    immer an der Wand,
    an der Wand entlang.

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  2. Ich glaube, ich hab ne Idee von wem die Liedtexte hochgeladen werden...

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