Die spinnen, die Pilger.

Heute erreichten wir Astorga, die Stadt, in der ich 2010 fast meinen Weg hätte abbrechen müssen, weil meine Füße völlig durch waren. Einige Blasen waren offen, andere noch neu und ich konnte mir nicht vorstellen, noch weiterlaufen zu können. 

Da bekam ich den Tip, daß hier in Astorga ein schweizer Bergsteiger einen Outdoorladen betreibt und mir evtl. wieder auf die Beine helfen könnte. Also suchte ich ihn auf und weil er deutsch sprach konnte ich ihm meine Problematik verständlich machen und auch seine Ratschläge verstehen. Er wechselte die Einlegesohle meines Schuhes aus desinfizierte ihn gründlich, dazu verkaufte er mir ein paar Socken, welche keine Bakterien annehmen können und hab mir noch ein paar gute Tips. Seine Maßnahmen haben mir damals ermöglicht, Santiago zu Fuß zu erreichen. Ich hatte mir damals geschworen, wenn ich je wieder nach Astorga kommen würde, mich bei ihm zu bedanken. 

Heute war es soweit, denn wir waren in Astorga. Er freute sich sichtlich, daß nach knapp drei Jahren sich jemand an seine Tips erinnerte, auch konnte er Paola einiges zu ihren Fußproblemen erzählen. Wir checkten in die Herberge in der Nähe der Kathedrale ein, in der auch Hal schon abhing, weil er mal wieder Bus gefahren war.
Er wartete schõn sehnsüchtig auf seinen Jamkumpel und hatte vor Verzweiflung schon mal seine Flasche Wodka fast ganz alleine gelehrt. Er brachte seine Freude über unser Wiedersehen zum Ausdruck, in dem er erstmal schön schlafen ging. "Diese Texaner sind einfach nur Lappen", sagte ich darauf zu einem anderen Amerikaner, welcher mir erklärte, daß Hal ein gebürtiger New Yorker und erst später nach Texas gezogen sei. Das erklärt natürlich einiges. 

Ich muß an dieser Stelle mal eins loslassen, viele der Pilger hier sind echte Jammerlappen, ihr Hauptgesprächsthema sind ihre Blasen und anderen Blessuren. Manchmal geht es auch um die tollen Sehenswürdigkeiten, wobei die wirklich die Gebäude meinen. Sind Frauen in der Nähe kommt es zum großen Schwanzvergleich, in dem mit den gelaufenen Kilometern oder wieder den Blessuren geprahlt wird. Dieser ganze Haufen liegt dann um 12 Uhr in der Herberge im Bett und pennt, dann wird kurz zum Abendbrot aufgestanden, um dann wieder pünktlich um zehn Uhr vom Hospitalero ins Bett geschickt zu werden. Wie gesagt, die spinnen, die Pilger.
Die Herberge hier war nun die erste, in der Fussel sich in den Gemeinschaftsräumen frei bewegen konnte. Zum Schlafen allerdings sollten wir in den Hinterhof gehen. Ich hätte zwar auch auf dem Sofa im Wohnzimmer schlafen können, hätte dann aber den vollen Preis bezahlen müssen, da in diesem hinteren Abschnitt des Weges die Herbergen nicht mehr so streng überwacht werden, spekulierte ich darauf, daß ich mich zu späterer Stunde sowieso unbemerkt auf dem Sofa platzieren könnte. Das klappte auch. 

Aber zunächst enterten wir den Supermarkt und besorgten was zu trinken. Zurück in der Herberge begann ich mit Hal etwas Gitarre zu spielen und schon bald gesellten sich zwei Iren zu uns, die tatsächlich eine Flasche edelsten Whisky über den Camino schleppten, allerdings hatten sie sie aus Gewichtsgründen in eine Plastikflasche umgefüllt. Es wurde ein bunter Abend und wieder waren Raphael und ich die letzten, die übrig blieben.