Sonntag, 9. Juni 2013

Die spinnen, die Pilger!


Selten war der soziale Abstieg so hautnah spürbar. Erst eine Nacht in einem fremden Gemüsegarten, dann eine Nacht in einem Unterstand für Fahrräder und gestern dann dann der absolute Tiefpunkt, direkt unter dem Vordach des Rathauses in Viana.

Die direkt daneben gelegene Bar war an einem Samstagabend natürlich gut besucht, was das Einschlafen natürlich nicht gerade einfacher machten. Zumindest bekamen wir es Dank dem Googleübersetzer wenigstens hin, dem Barkeeper zu erklären, wie er einen Einschlafgrog zubereitet. Der Vorteil vom Schlafen außerhalb der Herbergen ist der, daß man nicht von den nervigen Frühaufstehpilgern ab halb fünf durch Tütenrascheln, lautes Unterhalten oder rumsingen wach gemacht wird. 
 Bei Vielen hat man den Eindruck, sie wären hier beim Winterschlussverkauf oder auf der Flucht. So früh es geht stehen sie auf und jachtern los damit sie bloß die Ersten in der nächsten Herberge sind und da sitzen sie dann ab zwölf Uhr Mittags rum und pupsen die Räume voll. 
Viele arbeiten den Camino wie eine Einkaufsliste ab. Wenn der Reiseführer 32 Etappen vorschlägt dann wird für denn 33ten Tag schon mal ein Rückflug gebucht damit es billiger wird. Nach den ersten Etappen merken sie dann, daß selbst laufen schwieriger ist, als ein Buch über jemand zu lesen, der läuft. Dazu kommt dann speziell in diesem Jahr das extreme Wetter und der dadurch stark beschädigte Weg. Man kann die Etappen einfach nicht immer in den Zeiten laufen, wie der Reiseführer es vorschlägt. Da wird dann einfach noch früher aufgestanden und sich das Ganze dann lauthals schön gesungen ohne Rücksicht auf noch schlafende Mitmenschen oder kleinen Hunde. Zu Hause wird dann erzählt, wie unheimlich beruhigend so eine Pilgerfahrt sei. Die spinnen, die Pilger!
Wir dachten, daß wir von diesen Racingpilgern heute Morgen verschont wären. Fleitschepiepen, denn wir wachten davon auf, daß die vorbeiziehenden Frühpilger uns ein lautes "Buen Camino" zu warfen. Na die haben vielleicht Humor. Auf jeden Fall war die Entscheidung nicht das Tarp für die Nacht aufzubauen goldrichtig, denn das hätten wir bei dem Regen niemals trocken gekriegt. Es gallerte aus allen Kübeln und wir entschlossen uns, nur bis ins zehn Kilometer entfernte Logrõno zu gehen und uns dort ein Zimmer zu Viert zu nehmen. 
Der Regen und Wind waren so stark, daß die kurze Distanz reichte. Selbst meine Schuhe waren heute zum allerersten Mal von innen nass. Es gab halt seit zwei Wochen keine Möglichkeit, sie anständig zu fetten. Entweder waren sie von außen zu feucht und schlammig oder, wenn es trocken war, gab es keine Möglichkeit sie ordentlich zu reinigen. 
Wie herrlich ist es jetzt in einem sauberen, warmen und weichen Bett zu liegen. Heute Abend ist hier ein Mittelalterspektakel und Morgen früh geht es dann wieder brav an die Front...





1 Kommentar:

  1. DER BILBAO-SONG

    Bills Ballhaus in Bilbao
    war das schönste auf dem ganzen Kontinent.
    Dort gab's für einen Dollar Krach und Wonne,
    und was die Welt ihr Eigen nennt.

    Aber wenn Sie da hereingekommen wären,
    ich weiß nicht, ob Ihnen so was grad gefällt.
    Ach!
    Brandylachen waren, wo man saß,
    auf dem Tanzboden wuchs das Gras
    und der rote Mond schien durch das Dach,
    'ne Musik gab's da,
    da wurde was geboten für sein Geld!
    Joe, mach die Musik von damals nach!

    Alter Bilbaomond!
    Wo noch die Liebe lohnt...
    's ist toll mit'm Text!
    Lang, lang ist's her!
    Ich weiß ja nicht, ob Ihnen so was grad gefällt, doch:
    es war das Schönste auf der Welt.

    Bills Ballhaus in Bilbao
    an 'nem Tag gen Ende Mai im Jahre Acht,
    da kamen vier aus Frisko mit 'nem Geldsack,
    die haben damals mit uns was gemacht.
    Aber wenn Sie da dabei gewesen wären,
    Ich weiß nicht, ob Ihnen so was grad gefällt.
    Ach!
    Brandylachen waren, wo man saß,
    auf dem Tanzboden wuchs das Gras
    und der rote Mond schien durch das Dach,
    und vier Herren konnten Sie mit ihren Brownings schießen hör'n.
    Sind Sie 'n Held?
    Na, dann machen Sie's mal nach! Na?

    Alter Bilbaomond!
    Wo noch die Liebe lohnt...
    Ich kann den Text nicht mehr,
    s ist schon lange her!
    Ich weiß ja nicht, ob Ihnen so was grad gefällt, doch:
    es war das Schönste
    auf der Welt.

    Bills Ballhaus in Bilbao...
    heute ist es renoviert so auf dezent,
    mit Palme und mit Eiscrem ganz gewöhnlich..
    wie ein anderes Etablissement.
    Aber wenn Sie jetzt hereingesegelt kämen,
    's ist ja möglich, dass es Ihnen so gefällt.
    Spaß!
    Auf dem Tanzboden wächst kein Gras,
    und der Brandy ist auch nicht mehr das,
    und der rote Mond ist abbestellt.
    'ne Musik machen sie,
    da kann man sich nur schämen für sein Geld!
    Geh Joe, mach die Musik von damals nach.

    Alter Bilbaomond,
    das hab' ich oft betont,
    ich hab' sie nie geschont...
    Na, das ist ja der Text...
    Verzeihung, 's ist zu langer her...

    Alter Bilbaomond...
    Ich weiß ja nicht, ob Ihnen so was grad gefällt, doch:
    es war das Schönste
    auf der Welt.

    Es ist zu lange her...

    Bertolt Brecht, 1929

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