Mittwoch, 26. Juni 2013

"Macht, was ihr wollt – all is for free now"



Heute ließen wir Hal und Paola mal vorweg laufen. Raphael und ich würden sie schon wieder einholen.
Wir genehmigten uns erstmal einen entspannten Kaffee in der örtlichen Bar und brachen dann ganz entspannt auf. Der Weg zog sich hier neben einer Straße einfach geradeaus durch die Landschaft. Am Horizont konnte man die Berge sehen, aber ich hatte nicht das Gefühl mich ihnen zu nähern.
Nach einiger Zeit gabelten wir Paola unter einer Brücke auf, die aufgrund ihres immer noch schmerzenden Fusses recht langsam war. Nach einem Frühstück im nächsten Ort, ging Raphael mit dem auch immer noch ganz schön angeschlagen Hal vorraus. Paola und ich folgten kurze Zeit später. Wir machten nach einer Weile eine Rast an einer netten Stelle und beschlossen, uns mal der Flasche Wein zu widmen, die ich schon seit Tagen mit mir rumtrug. 
Nun, wie soll ich es sagen, es ist nicht immer die beste Idee eine Flasche Wein bei 25 Grad im Schatten zu trinken, denn das kann ganz schön dun machen. Die ältere Osterreicherin, die wir in der Westernherberge vor ein paar Tagen getroffen hatten, hatte mich dezent darauf aufmerksam gemacht, daß der "white rabbit", dem ich glaubte seit einiger Zeit zu folgen, wohl auch mir folgte und ich nun langsam mal in die Puschen kommen sollte, denn ihrer Ansicht nach wären wir ein perfektes Team. Ich konnte ihr das da noch nicht wirklich glauben, aber nach dieser Flasche Wein in der Sonne der Meseta, stellte sich raus, daß die Dame eine brauchbare Beobachtungsgabe besitzt. Ich hoffe inständig, sie noch einmal wiederzutreffen, um mich herzlich bei ihr für den verbalen Arschtritt bedanken zu können. 
Aber wie es so ist im Leben, wenn es gerade am Schönsten ist, passiert etwas, was einen aus den schönsten Träumen reißt. In diesem war es Fussel, die die ganze Zeit friedlich im hohen Gras geschlummert hatte. Sie schrie plötzlich auf, sprang in die Höhe, rannte dann wild durch die Gegend und schleuderte wie verrückt mit dem Kopf durch die Gegend, als ob sie versuchen würde, etwas aus ihrem Ohr zu schütteln. Scheiße ein Biss, fuhr es mir durch den Kopf. In dieser Gegend gibt es Schlangen und alles mögliche andere Getier. 
Während Paola den Hund untersuchte, durchkämmte ich mit meinem Stock den Platz an dem sie gelegen hatte, ich konnte aber außer extrem großen Ameisen nichts weiter finden. Fussel heulte und krümmte sich vor Schmerzen, es machte den Anschein, als hätte sie etwas im Ohr. Weiterlaufen lassen konnte ich sie so nicht. Also verfrachtete ich sie mir in den Nacken und wir liefen in Richtung des nächsten Ortes weiter. Kaum lag sie in meinem Nacken, schlief sie ganz entspannt ein. Es gibt kaum was angenehmeres, als sich bei nun inzwischen 35 Grad, einen warmen Hund in den Nacken zu legen, dessen Atem mir nun direkt um die Nase wehte. Man kann mir glauben das Bouquet kommt bei diesen klimatischen Bedingungen voll zur Geltung.



Wir erreichten den nächsten Ort und genehmigten uns erstmal ein amtliches Pilgermenü. Fussel hatte sich langsam erholt und lief wieder einigermaßen fröhlich durch die Gegend und schüttelte nur noch manchmal den Kopf. Raphael war schon einen Ort weitergelaufen und Hal hatte sich in der örtlichen Herberge einquartiert, die uns aber wegen des Hundes nicht nehmen wollten. Auch in der Pension, in der wir gegessen hatten, konnten wir wegen Fussel nicht bleiben und Raphael in den nächsten Ort zu folgen, schied wegen Fussels und Paolas Gesundheitszustand aus. Also war mal wieder campen angesagt. 
Wir zogen also los und trafen in der Mitte des Dorfes auf eine knallbunt angemalte Bar, die dem Elvis des Camino gehörte. Die Spanierin, der Hal gestern versucht hatte das Gitarrespielen beizubringen, war dabei sich von einem jungen italienischen Graffitikünstler das sprayen beibringen zu lassen. Sie verzierten gerade das Tor zum Hinterhof. So ließen wir die Zeltplatzsuche Zeltplatzsuche sein und setzten uns auf ein Bier dazu. Der Wirt freute sich über den neuen Besuch und servierte erstmal Calamaris. Wie man sich denken kann blieb es nicht bei einem Bier. Gegen zehn bat uns Elvis, der vor drei Jahren schon so angetrunken war wie heute und dazwischen bestimmt auch keinen Tag anders verbracht hat, in seine Bar. Er holte eine Flasche Orujo hervor und verteilte fröhlich eine Runde nach der anderen. Irgendwann kam uns der Gedanke, daß wir immer noch keinen Schlafplatz hatten, also fragte ich den betüddelten Elvis, ob wir in seinem Garten campen könnten. 
Das fand der albern, schob ein paar Stühle und Tische beiseite, holte ein paar Matratzen hinter der Theke hervor und bot uns seine Bar als Schlafplatz an. Er ging dann ins Bett und übergab mir die Vollmacht über seine Getränke. "Macht, was ihr wollt", sagte er "all is for free now"... Einzige Bedingung, wir sollten keinen mehr reinlassen und morgen früh mit ihm Kaffeetrinken. Nun waren wir also zu fünft in einer Bar eingeschlossen, die Spanierin und der Italiener, welcher mit seiner Taktik bei dem hübschen Mädel sichtlich weitergekommen war, als der gute Hal gestern, Paola und ich und ein Kölner mit viel zu neuen Klamotten und zu großem Hut, der da einfach mit reingeraten war und dem das ganze sichtlich suspekt war. Ihm waren die hygienischen Zustände in der Bar offensichtlich so ungeheuer, daß er sich zur Sicherheit das Zelt der Spanierin vor der Theke aufbaute und zum Schlafen fest absperrte.



1 Kommentar:

  1. Der frohe Wandersmann

    Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
    Den schickt er in die weite Welt;
    Dem will er seine Wunder weisen
    In Berg und Wald und Strom und Feld.

    Die Trägen, die zu Hause liegen,
    Erquicket nicht das Morgenrot,
    Sie wissen nur von Kinderwiegen,
    Von Sorgen, Last und Not um Brot.

    Die Bächlein von den Bergen springen,
    Die Lerchen schwirren hoch vor Lust,
    Was sollt ich nicht mit ihnen singen
    Aus voller Kehl und frischer Brust?

    Den lieben Gott laß ich nur walten;
    Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld
    Und Erd und Himmel will erhalten,
    Hat auch mein Sach aufs best bestellt!

    Joseph von Eichendorff (1788-1857)

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