Morgenröte über den Wolken …

Auf dem Gipfel eines Berges bin ich noch nie aufgewacht. Beim Blick aus der offenen Frontseite des Tarps konnte man die Morgenröte sehen, die sich in den Wolken spiegelte. Nur daß die Wolken nicht über uns, sondern unter uns lagen. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, für die Zeitaufnahme App, über die ich seinerzeit in Paris nachgedacht hab. Wie wäre das praktisch, wenn ich die durch das Warten damals entstandene Zeit aufnehmen hätte können und sie jetzt anspielen könnte. Das gemeine ist, das die Zeit in so schönen Momenten auch noch schneller verfliegt. Das ist so ungerecht. Hätte ich die gleiche Zeit, die ich jetzt mit Sonnenaufgang gucken verbracht habe, beim Zahnarzt zugebracht wäre sie bestimmt um gefühlte zehn Stunden langsamer vergangen. Vielleicht sollte ich meinem Zahnarzt mal vorschlagen seine Behandlungen nur noch bei Sonnenaufgang über den Wolken durchzuführen, dann hebt sich die kurze und die lang gefühlte Zeit gegeneinander auf und die Behandlung ist Ruck Zuck vorbei. Warum ich in dieser Situation über meinen Zahnarzt nachdenke, ist mir selbst schleierhaft. 

Nun sei es, wie es sei, der Sonnenaufgang war irgendwann vorbei und wir mußten der Realität ins Auge blicken und die hieß: weiterpilgern. Raphael hatte sich schon längst auf den Weg gemacht. Ohne Frühstück stapften wir zwei in den Morgen und machten uns an den Abstieg. An dessen Ende gab es eine kleine Bar, in der wir einen Kaffee trinken konnten. 

Wir saßen eine Weile davor, da kamen mit einem mal zwei alte Bekannte den Berg runtergelatscht. Der erste war Hal, den ich jetzt seit Astorga nicht mehr gesehen hatte. Der zweite war Grischa, was zur Folge hatte, daß wir wieder nicht aufhören konnten zu sabbeln. Ich glaub wenn ich mit diesem Typen in Deutschland losgelaufen wäre, wären wir wer weiß wo angekommen nur nicht da, wo wir hin wollten und wenn doch dann garantiert um Tage oder Wochen später, als geplant. Aber keiner von uns Beiden hätte vor lauter sabbeln weder das Eine noch das Andere bemerkt. Wir nahmen nahtlos eines unserer vielen Gespräche wieder auf und Paola ergriff die Flucht nach vorne. Grischa und ich quatschten uns fröhlich durch die Landschaft hinter ihr her. 

Am späten Nachmittag erreichten wir von der Hitze gezeichnet Triacastella. Raphael war schon lange da und erwartete uns in der ersten Bar sitzend. Alle Herbergen waren schon voll, was uns zum Glück gar nicht interessierte. Wir bauten unsere Privatherberge heute auf einer Wiese neben der Herberge auf. Was das Duschen anging, verfuhren wir nach dem Motto meiner Oma mütterlicherseits: wer viel fragt, kriegt viel Antwort! Wir gingen einfach dreist durch Haupteingang ins Badezimmer. Dreist kommt weiter. 

Grischa hatte sich in einer Pension nebenan ein Zimmer genommen, so daß wir am Abend schön ein Weinchen zusammen auf der Wiese in der Abendsonne trinken konnten. Raphael, der inzwischen auch auf den Geschmack "des-im-Freien-schlafen" gekommen ist, hatte sich als Quatier für heute Nacht eine Parkbank in der Nähe zurecht gemacht.