Donnerstag, 4. Juli 2013

Manchmal muß ein Mann tun, was ein Mann tun muß.


Was hätte das für ein entspanntes Erwachen werden können, denn wieder waren wir die Einzigen, die hier nächtigten. Aber heute war es Paola, die mich gegen fünf weckte: "Olaf, Olaf, we have a water problem", hörte ich sie im Halbschlaf mehrmals rufen. Ich öffnete meine Augen, sah einen klaren Himmel über mir. Wo sollte da Regen herkommen?
"Ja, ja, du mich auch dachte ich bei mir und schnarchte, wie sie mir später erzählte, genüsslich weiter. Aber nicht lange, denn sie fing sofort an mich wieder zu wecken: "We really have a problem, everything is wet!" Schlaftrunken tastete ich meinen Schlafsack ab, beschloss wet is anders und drehte mich zur Seite um mit meinem Schlaf fortzufahren.
Sie war aber ungnädig und hörte nicht auf, mich zu wecken. Als ich sie endlich ansah, sah ich sie im Regen einer Rasensprenkelanlage neben mir sitzen. "Moin, Moin", begrüßte sie mich mit einem breiten Grinsen. Nun begriff ich langsam, was sie meinte, die schönen Grünflächen waren nur deshalb so schön, weil sie am frühen Morgen durch versteckte Sprinkleranlagen gewässert werden. Meine Seite war nur trocken geblieben, weil ich durch Zufall sie am Abend mit Paolas Rucksack zugestellt hatte. Nu war aber Achterbahn. Wir klaubten in Windeseile unsere Sachen zusammen und brachten uns rennend durch den Regen der Sprinkler in Sicherheit. Den Rest der Nacht verbrachten wir dann gemeinsam auf einer Parkbank – auch mal 'ne Erfahrung.
Raphael würde heute den den Gipfel des O'Cebreiro erreichen. Wir mußten uns langsam mal was einfallen lassen, um seinen Vorsprung aufzuholen. Bei den Temperaturen war das läuferisch ein Ding der Unmöglichkeit.
Ich hatte ja schon mal erwähnt, wenn der Esel die Karotte vor seiner Nase zu packen kriegt, fehlt ihm der Antrieb zum Laufen, genau das war mir jetzt passiert. Zusammen mit Paola und ihren kaputten Füßen war es nur mit technischen Hilfsmitteln möglich, zu Raphael aufzuschließen. Es blieb also nur der Weg des "rumkerkelingens". So machten wir uns dann auf den Weg zum Busbahnhof nach Ponferrada. 
Um ganz ehrlich zu sein, ich hatte keine Gewissensbisse dabei, denn es ging nur um eine im Verhältnis zu der ganzen Reise geringe Distanz und ich wollte weder meinen "white rabbit" hinter mir, noch Raphael ziehen lassen. In manchen Situationen muß ein Mann halt tun, was ein Mann tun muß und wenn das den Bus nehmen heißt, dann ist das halt so. 
Wir erreichten auf diese Weise den O'Cebreiro und trafen Raphael vor der Herberge wieder. Da wir aber nicht in der Herberge übernachten wollten, baten wir lediglich um die Möglichkeit, duschen zu können. Das hatten wir schon öfter gemacht und für gewöhnlich war das immer möglich. Manchmal gegen Zahlung von ein bis zwei Euro, oft auch umsonst. Hier aber sollten wir den vollen Übernachtungspreis von sechs Euro bezahlen. Also beschlossen wir, die Dusche einfach zu stehlen. Ich kannte die Herberge von 2010 und 2011 und wusste, daß es einen Hintereingang gibt. Hier gingen wir rein und fischten einfach mal, was das Zeug hielt. Als wir frisch gebügelt und gestriegelt in sauberen Klamotten wieder vor der Herberge auftauchten, sprach mich die Hospitalera an und machte mich auf die Hausordnung aufmerksam, sofort kam Paola zu Hilfe und erklärte, daß wir uns lediglich hinter dem Haus mit einer großen Flasche Wasser gewaschen hätten. Raphael, der die Konversation nicht mitgekriegt hatte und die Zeit des Wartens auf uns mit Wein trinken verbracht hatte, ging aus Solidarität zu uns, zu der Hospitalera und erklärte ihr erstmal in der Sprache, die er nur in bestimmten Zuständen sprechen kann, daß er das Ganze hier für am Arsch geleckt hielt und es nur ums Dinero machen ginge, deswegen würde er jetzt einfach mal wieder auschecken. Keine fünf Minuten später stand er mit Sack und Pack vor der Tür.
Zu meiner großen Freude tauchte kurze Zeit später Erika, die ältere Österreicherin auf, bei der ich mich ja noch bedanken wollte, daß sie mir in punkto "white rabbit" auf die Sprünge geholfen hatte. Das war somit auch erledigt.
Wir kochten uns erstmal eine dicke Portion Pasta. Natürlich direkt im Eingang der Herberge, denn da war es schließlich windgeschützt.
Nun ging es nur noch um den Schlafplatz. Raphael hatte sich einen Platz auf dem Vordach der Herberge mit bestem Blick auf die Berge und den Nachthimmel ausgeguckt.
Paola und ich bauten unsere Privatherberge direkt unterhalb des Gipfels auf. Unter uns lag das keltische Dorf O'Cebreiro, über uns ein Wahnsinns Sternenhimmel und um uns herum die Berge Nordspaniens. Hätte ich diese Szene in einem Hollywoodfilm gesehen, hätte ich sie wohl vor kurzem noch für kitschig erklärt. Heute empfand ich das Ganze nur dem Anlass entsprechend.
Dieses Erlebnis entgeht den meisten Pilgern, da sie ja um zehn in der Herberge verstaut werden.

3 Kommentare:

  1. Meine Soldaten

    Ich bau eine Mauer und sprenge die Brücken,
    systematisch jeden Gedanken an dich unterdrücken,
    die Fotos verbrennen, die Lieder zensieren
    Komme was wolle ich darf die Kontrolle nie wieder verlieren.

    Alles was sich bewegt lass ich streng überwachen
    verdächtige Elemente sofort unschädlich machen
    es reicht ein Zeichen der Schwäche, ein Zittern der Finger
    ich brauch kühles Blut denn es tut mir nicht gut mich an dich zu erinnern
    es tut mir nicht gut mich an dich zu erinnern

    Und immer wenn mein Herz nach dir ruft
    und das Chaos ausbricht in mir drin
    schicke ich meine Soldaten los
    um den Widerstand niederzuzwingen
    Immer wenn mein Herz nach dir ruft
    und es brennt in den Straßen in mir drin
    befehle ich meiner Armee alles zu tun
    um es wieder zum Schweigen zu bringen
    Bis es geknebelt, gebrochen ist und weggesperrt
    mir endlich gehorcht mein armes Herz

    Ein guter Soldat stellt keine Fragen
    er läuft Runden im Park bis die Beine versagen
    die Stirn und der Staub wie ein Ja und ein Amen
    Ein Soldat vergisst alles im Falle des Falles auch den eigenen Namen

    Doch es braucht nur einen Verräter, eine undichte Stelle
    einen winzigen Stein für eine gewaltige Welle
    ein Funken im Zunder und alles steht wieder in Flammen
    die ganze Fassade klappt wie ein Kartenhaus in sich zusammen
    klappt wie ein Kartenhaus in sich zusammen

    Immer wenn mein Herz nach dir ruft
    und das Chaos ausbricht in mir drin
    schicke ich meine Soldaten los
    um den Widerstand niederzuzwingen
    Immer wenn mein Herz nach dir ruft
    und es brennt in den Straßen in mir drin
    befehle ich meiner Armee alles zu tun
    um es wieder zum Schweigen zu bringen
    Und immer wenn mein Herz nach dir ruft
    und das Chaos ausbricht in mir drin
    schicke ich meine Soldaten los
    um es wieder zum Schweigen zu bringen
    Bis es geknebelt, gebrochen ist, und weggesperrt
    mir endlich gehorcht mein armes Herz

    Maxim

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  2. White Rabbit

    One pill makes you larger
    And one pill makes you small
    And the ones that mother gives you
    Don't do anything at all
    Go ask Alice
    When she's ten feet tall

    And if you go chasing rabbits
    And you know you're going to fall
    Tell'em a hookah smoking caterpillar
    Has given you the call
    Call Alice
    When she was just small

    When men on the chessboard
    get up and tell you where to go
    And you've just had some kind of mushroom
    And your mind is moving low
    Go ask Alice
    I think she'll know

    When logic and proportion
    Have fallen softly dead
    And the White Knight is talking backwards
    And the Red Queen's off with her head
    Remember what the doormouse said:
    "Feed your Head
    Feed your Head!"

    Jefferson Airplane

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  3. Nun Ist endlich einer drauf gekommen, wo der Begriff "white rabbit" herkommt...
    Auf den Text hab ich schon gewartet

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