Samstag, 6. Juli 2013

Wir spinnen, wir Deutschen.



Normalerweise wollten wir heute vor sieben aufstehen, um der momentanen Hitze durch frühes Wandern zu entgehen. Aber wie es so ist im Leben. Der frühe Vogel kann uns mal. 
Raphael war zwar pünktlich wach aber der Morgennebel hatte seinen guten Daunenschlafsack so nass gemacht, daß er ihn erst trocknen wollte, bevor er ihn im Rucksack verstaute und ich schlaf sowieso lieber aus. Also machten wir mal wieder einen auf gemütlich. Gegen neun tauchte dann noch Erika unsere Österreicherin auf. Sie hatte die gestrige Etappe wegen ihrer kaputten Füße nicht geschafft und war ein paar Kilometer vor Triacastella in einer Herberge untergekommen. Nun hatte sie sich am frühen Morgen hierher gequält und wollte hier in der Herberge bleiben. Sie zeigte mir ihren Fuß und fragte nach Verbandsmitteln. Ich konnte ihr nur teilweise helfen, denn ihre Blasen im vorderen Teil des Fusses waren so schwerwiegend und Blut unterlaufen, daß ich mich da nicht rantraute. Sie tat mir so unendlich leid, sie hat sich von St Jean Pied de Port bis hier gequält und steht nun kurz vor dem Aus. In ihrem Alter und mit ihrem Gewicht ist das eine unglaubliche Leistung und zeugt von extremer Geistesstärke und nun sollte das so kurz vor dem Ziel zu Ende sein. 
Ich bot ihr an, ihren Pass zu Fuß mitzunehmen und für sie zu stempeln, damit sie wenigstens ihre Compostella bekommt auch wenn sie auf den letzten 100 Kilometern den Bus nehmen muß, aber das wollte sie nicht. Wir boten ihr auch an, den Gang zur Apotheke für sie zu übernehmen, damit sie ordentliches Verbandsmaterial bekommt, aber auch das lehnte sie ab. Sie als alte Krankenschwester wollte sich selbst aussuchen, was sie braucht. Sie schickte uns schließlich los, damit, wie sie sagte, wir sie nicht weinen sehen – was für eine Kämpferin. Ich hoffe inständig, sie noch einmal in Santiago zu treffen.
Da wir nun eh spät dran waren, genehmigten wir uns noch ein entspanntes Frühstück und fragten Grischa per SMS, wo er bleibe. Er antwortete, daß er noch schliefe und nie wieder mit uns Wein trinken wolle, wir sollten schonmal losgehen.
Es ging aus dem Ort raus durch bewaldetes Gebiet. Die Sonne knallte schon gewaltig von oben und jeder Schatten war uns willkommen. Nach ein paar Kilometern kamen wir an einen Brunnen, der in Muschelform gestaltet ist, also war erstmal Pause machen angesagt. Es dauerte nicht lange, dann füllte sich der Platz mit Leuten, die natürlich alle ein Foto in der Muschel machen wollten.
Ein Typ lief in entgegengesetzter Richtung den Camino entlang und ich rief ihm zu, daß Santiago in der anderen Richtung läge. Ich hatte aber nicht damit gerechnet, daß er mich versteht. Er war jedoch Deutscher und zu Fuß aus München unterwegs. Er war bereits in Santiago gewesen und befand sich nun auf dem Rückweg. Er hatte diese Reise komplett ohne Geld angetreten und hatte dementsprechend viel zu erzählen. Wir quatschten uns fest und irgendwann tauchte Grischa aus dem Wald auf mit seinem Handtuch auf dem Kopf, welches ihn vor der Sonne schützen sollte. Inzwischen war kein Mensch mehr auf dem Weg, denn jeder vernünftige Mensch hatte sich längst einen vor der Sonne geschützten Platz gesucht. 
Nur wir Deutschen, wußten es wieder besser und trödelten in den Tag rein, damit wir auch auf jeden Fall draußen sind, wenn die Sonne am allerhöchsten steht. Wir liefen also irgendwann weiter und zum Glück war der meiste Teil der Strecke bewaldet. An den Stellen, wo es kein Schatten gab, war es nicht auszuhalten. Die einzigen anderen Pilger, die wir so spät noch auf dem Weg trafen waren natürlich auch Deutsche. Das mit dem Anpassen liegt uns Deutschen scheinbar nicht im Blut, wir ziehen stur unseren Striemel durch. Wir brauchen keine Sonnencreme, wo wir sitzen wollen legen wir unser Handtuch hin und bei 40 Grad im Schatten watscheln wir unbeirrt durch die Botanik. 
Wir spinnen, wir Deutschen, aber komischerweise kommen wir immer an, heute in Sarria. Wir fanden eine nette Herberge am Rande des Ortes. Grischa und Raphael bekamen einen Platz im Schlafsaal und Paola, Fussel und ich bekamen einen Platz unter einem Dach im Garten. Diesmal war die Fläche sogar nett mit Kunstrasen ausgelegt und wir brachten unsere Privatherberge nicht aufzubauen.

5 Kommentare:

  1. The Wanderer

    Oh, well, I'm the type of guy who will never settle down
    Where pretty girls are, well, you know that I'm around
    I kiss 'em and I love 'em, 'cause to me they're all the same
    I hug 'em and I squeeze 'em, they don't even know my name
    They call me the wanderer, yeah, the wanderer
    I roam around, around, around, around

    Oh, well, there's Flo on my left arm, and there's Mary on my right
    And Janie is the girl, well, that I'll be with tonight
    And when she asks me which one I love the best
    I tear open my shirt, and I show her "Rosie" on my chest
    'Cause I'm a wanderer, yeah, a wanderer
    I roam around, around, around, around, um

    Oh, well, I roam from town to town
    I go through life without a care
    And I'm as happy as a clown
    A-with my two fists of iron, but I'm going nowhere, no

    Yeah, I'm the type of guy that likes to roam around
    I'm never in one place, I roam from town to town
    And when I find myself, um, a-fallin' for some girl
    Yeah, I hop right into that car of mine
    I drive around the world
    Yeah, I'm a wanderer, yeah, a wanderer
    I roam around, around, around, around
    Let's roam, I said, and go

    Yeah

    Oh, yeah, I'm the type of guy that likes to roam around
    I'm never in one place, I roam from town to town
    And when I find myself a-fallin' for some girl
    I hop right into that car of mine
    Drive around the world
    'Cause I'm a wanderer, yeah, a wanderer
    I roam around, around, around, around, around, around
    'Cause I'm a wanderer, yeah, a wanderer
    I roam around, around, around, around, around, around, around
    'Cause I'm a wanderer, I'm a wanderer

    Dion DiMucci
    (der Mann der nicht mit Buddy Holly flog ...)

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  2. Ick will euch ja eure Muschln nich vermiesen, abeer det jibt ja Leute die ham sick die ja och zum Zeichen jemacht:

    Shell! Shell! Shell!

    In Margate auf der Promenade hing ein blechernes Ladenschild
    vor einer Bude mit Souvenirs eine grosse Muschel im Bild.
    Da bot ein alter Mann bemalte Muscheln an.
    Ganz Margate kannte sein Gebell: Shell! Shell! Shell!

    Muschel von Margate bringt ihnen Glück,
    Muschel im goldenen Grunde,
    Muschel von Margate, fällt auf sie ihr Blick,
    denken sie zurück an manche unvergessliche Stunde.

    In Margate auf der Promenade erhob sich ein Gestank.
    Wo einst die Bude mit Muscheln stand, steht ein Petroleum–Tank.
    Der Sohn von jenem alten Mann fing einen andern Laden an:
    ein Naphta- und Benzin-Kartell: Shell! Shell! Shell!

    Muschel von Margate brachte ihm Glück,
    Muschel in goldenem Grunde,
    Muschel von Margate, fällt auf sie sein Blick,
    denkt er gern zurück an manche unvergessliche Funde.

    Und als der Tank zu pumpen anfing in Margate auf der Promenade,
    ein Dutzend an jedem Bohrturm hing, der über Öl bei Baku steht,
    Kolchak und Denikin, da wurde aus Blut Benzin,
    aus Tausend Hälsen sprang der Quell: Shell! Shell! Shell!

    Muschel von Margate bringt ihnen Glück,
    Muschel in goldenem Grunde,
    Muschel von Margate, fällt auf sie ihr Blick,
    denken sie zurück an manche Rede im Völkerbunde.

    Und als die Sonne am höchsten stand in Margate auf der Promenade,
    da fing das Öl zu brennen an von Aserbeidschan bis Tibet,
    es steckte die Welt in Brand. Petroleum heißt unser Vaterland,
    dafür zerlöchern wir uns das Fell: Shell! Shell! Shell!

    Muschel von Margate bringt Ihnen Glück,
    Wir aber geh’n vor die Hunde!
    Muschel von Margate, fällt auf sie der Blick,
    zahlen wir zurück in letzter entscheidender Stunde.


    "Die Muschel von Margate: Petroleum Song" (1928)
    Musik: Kurt Weill; Text: Felix Gasbarra

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  3. Verzeihung, aber korrekter Weise muß ich nachtragen, dass es sich bei der Shell-Muschel um eine Kamm-Muschel und nicht um eine Jakobs-Muschel handelt. Also gar kein Vergleich. Aber die Geschichte mit dem Muschelladen stimmt tatsächlich...
    Und jetzt genug Getuschel um die Muschel... ich geh und kuschel.

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  4. Falls Olaf ein Buch über diese Reise veröffentlichen sollte, würde ich ihm genau diesen Titel empfehlen: "Genug Getuschel um die Muschel - (ich ging) und kuschel." ;-)
    k.

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  5. Zu Oben:

    Es heißt zwar der frühe Vogel fängt den Wurm.
    Ja, aber erst die zweite Maus bekommt den Käse... ;-)

    Vince Ebert

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