Mittwoch, 5. Juni 2013

Aus der Welt der Pilger …



Da freuten wir uns, daß wir ein ruhiges Plätzchen im Garten hatten und von dem Frühaufstehwahn der Anderen verschont bleiben würden, doch die finden immer einen Weg uns zu nerven.
Heute machten sie pünktlich kurz vor sechs die Fenster auf und klopften ihre Schuhe aus und natürlich redeten sie dabei wild durcheinander. Also war es mal wieder nichts mit Ausschlafen. Was heute besonders doof war, da wir sowieso erst abbauen konnten, wenn der Morgentau von Zelt und Tarp getrocknet war.

Aber nun waren wir einmal wach und gingen die Sache gemütlich an. Wir machten ein entspanntes Frühstück an der geschichtsträchtigen Brücke. Hierbei sei erwähnt, daß sich unsere Frühstücksgewohnheiten hier in Spanien unterbewußt geändert haben. Eier, Speck und Milch sind Obst, Gebäck und Joghurtdrinks gewichen. Anscheinend braucht der Körper bei verändertem Klima etwas anderes. Nach Beendigung unserer morgendlichen Essenseinnahme brachen wir in einen herrlich sonnigen Tag auf. So stellt man sich Spanien vor, blauer Himmel und Sonnenschein.
Mein erster Jakobsweg 2010 war im September/Oktober – die Landschaft war gelblich und braun ausgetrocknet und nahezu wüstenartig. Diesmal zeigte sich der Frühling in den prächtigsten Farben und Düften, ein wahrliches Fest der Sinne.
Unser Ziel für heute hieß Estella und wir marschierten fröhlich in den Tag. Unter einer Brücke trafen wir Jim, einen 68jährigen Amerikaner, der jetzt in Thailand wohnte. Er will ein Buch schreiben und wollte uns dafür interviewen. Komischer Weise erzählt einem jeder, daß er ein Buch über seine Reise schreiben will, ich weiß gar nicht, wer den ganzen Kram lesen soll. Aber das war uns egal, der Mann hatte unterhaltungswert und viel zu erzählen.
Er sagte, er hätte in seinem Leben mehrere Millionen für Frauen, Koks und schnelle Autos ausgegeben, den Rest seines Vermögens hätte er allerdings verschwendet und nun würde er von einer kleinen Rente leben. Er hörte sich die Geschichte unserer Reise an und versprach, uns in seinem Buch zu erwähnen. Nun wir werden sehen.
Gegen frühen Nachmittag, bemerkte ich, daß meine Augen anfingen, Schwierigkeiten zu machen. Eine Migräne-Attacke kündigte sich an, mein Gesichtsfeld verkleinert sich dann und das Bild fängt an zu flackern. Wir machten im Schatten einer alten Römerbrücke Rast und ich nahm reichlich Wasser und Traubenzucker zu mir, es wurde allerdings nicht wirklich besser, also beschlossen wir zum nächsten Ort weiterzugehen, um ein schattiges Plätzchen und kühle Getränke zu uns zu nehmen. Wir wussten von unserem Weg 2010, daß es dort eine nette Bar gab, in die wir uns damals auch vor der Sonne gerettet hatten. Wir erreichten die Bar und nach einem Liter Cola auf Eis und kurzem ausruhen, hatten sich meine Augen wieder beruhigt.
Der Wirt war völlig fasziniert von Fussel und begann, sie mit frischem Rindfleisch aus seiner Kühlung zu füttern. Wir bemerkten, daß die Bar gleichzeitig eine Albergue (Herberge) war und ich dachte mir, wenn der den Hund schon so nett füttert, dann können wir da bestimmt auch gut übernachten. Vielleicht sollte mich das Augenflimmern ja auch einfach nur zu diesem Ort führen.
Seine Herberge war leider schõn belegt, aber er besorgte uns einen Platz in der Herberge gegenüber. Also blieben wir heute halt in Lorca. An einem Tisch am Eingang saß eine Kolumbianerin, die inzwischen mit ihrer Familie auf Gran Canaria wohnt und mit der wir wegen Fussel auch gleich ins Gespräch kamen. Sie war seit einem Tag in diesem Ort hängen geblieben, da sie sich in den ersten Tagen schlimme Blasen unter dem Fuß zugezogen hatte und spielte nun mit dem Gedanken abzubrechen und nach Hause zu fahren.
Irgendwann tauchte auch Jim auf und die Unterhaltung wurde so interessant, daß wir zunächst vergaßen, unser Zimmer zu beziehen. Jim erzählte, daß er vor Kurzem bei einem Wettbewerb einen Truck gewonnen hätte. Bei diesem Kontest ging es darum, mit seiner Hand den LKW kontinuierlich zu berühren, lediglich zum Pinkeln durfte man in bestimmten Zeiten den Saal verlassen. Er hat 98 Stunden durchgehalten und war damit der Sieger. Den Truck hätte er dann an ein Hilfsprojekt in Afrika gespendet. Nebenbei überredeten wir noch die Kolumbianerin, nicht aufzugeben, sondern es am nächsten Tag nochmal ganz in Ruhe zu probieren.
Gerade noch rechtzeitig vor dem Pilgermenu schafften wir es unsere Sachen im Zimmer zu deponieren und zu duschen. Am Abend gingen wir wieder in die Bar gegenüber und unterhielten uns noch mit allen möglichen Mitpilgern. Als die Bar dann schließen wollte, bot der Wirt uns an, uns Stühle und ausreichend Getränke auf die Straße zu stellen. Wir sollten nur alles nachher selbst wegräumen. Von den Getränken mußten wir nicht einmal die Hälfte bezahlen.

2 Kommentare:

  1. Hi Leute,
    lese total gespannt bei euch mit!! Bei mir gehts in 3 Wochen ab Roncesvalles los :-) So langsam muss ich mich bezüglich Schuhwerk entscheiden, will die Schuhe dann ja auch noch einlaufen. Was haltet ihr von den flachen North Face. Ich komme mit Stiefeln nicht so gut klar.. Bon camino!

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    1. Moin, ich würde Dir amtliche Wanderschuhen von Meindl empfehlen, aber Deine Einkaufssituation Ist extrem kurz. Nimm das, wo Du ein gutes Gefühl hast, um Schmerzen wirst Du wahrscheinlich nicht rumkommmen. Das Wichtigste ist, daß Du den Fuß trocken hälst, also bei jeder Gelegenheit raus aus den Schuhen. Kauf Dir gute Socken. Trotzdem wird Dich der Weg fragen, ob Du das wirklich willst. Nimm Dir bloß Zeit mit und lass Dich nicht hetzen. Das Material Ist fast egal, es kommt auf die Einstellung an. Buen Camino

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